it takes courage to change the world

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 Als ich noch voll im Platform Fashion Trubel war, flatterte eine Mail in meinen virtuellen Postkasten, in der ich dazu aufgerufen wurde, mich für das Label Quantum Courage bei einer mutigen Aktion zu zeigen – ohne groß nachzudenken habe ich direkt zugesagt, schließlich finde ich solche Paraden immer ganz interessant. Nachdem die Modetage mit all ihrer Hektik dann jedoch vorbei waren und die Realität mir wieder freundlich ins Gesicht lächelte, stand ich plötzlich da mit der Frage „Was bedeutet es heutzutage mutig zu sein?“. Mut hat viele Facetten; es bedeutet seine persönlichen Ängste zu überwinden, Gefahren und Nachteile in Kauf zu nehmen, um ein Ziel zu erreichen. Aber die Frage bleibt im Raum stehen – wann ist man mutig?

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Klar, viele Dinge verlangten auch mir in meinem Leben schon Mut ab: mein erstes Referat in der Schule, denn vor einer Menschenmenge sprechen war ehrlich gesagt noch nie meins; das Abschneiden meiner unglaublich langen Haare auf Bob-Länge, schließlich gilt ja „no risk, no fun“ und sie wachsen ja wieder; und nicht zu vergessen das Gespräch – welches bisher so ziemlich das Mutigste war, was ich jemals gemacht habe – in dem ich endlich nicht mehr an mir halten konnte, und meinem damaligen Traummann sagte, dass ich mich unglaublich verliebt habe – und auch heute ist er noch immer mein Traummann.
Mut zahlt sich also aus – aber jetzt mal ganz unter uns: wie mutig ist der Vortrag einer Hausaufgabe, ein Friseurbesuch oder ein klärendes Gespräch denn wirklich? Auch wenn sich nach solchen Momenten das gute Gefühl einstellt, etwas Großes geleistet und seine Ängste bezwungen zu haben, kamen mir diese „Leistungen“ rückblickend meist gar nicht mehr so nennenswert und besonders vor. Für den Einzelnen mag es ja eine große Bedeutung haben, aber ganz grundsätzlich sind die meisten Überwindungen, die wir in unserer Wohlstandsgesellschaft leisten doch Nichtigkeiten. Und genau deshalb fiel es mir auch so unglaublich schwer eine mutige Aktion zu zeigen, besonders beim Blick auf die aktuellen Schlagzeilen, nach dem Hören der Nachrichten, mit dem Wissen, dass eine brachliegende Fläche in Düsseldorf bald zu einer Flüchtlingsunterkunft umgebaut wird.
Denn wie mutig kann es denn schon sein, sich seiner Arachnophobie zu stellen, seine Höhenangst zu überwinden oder mit einer Achterbahn im Vergnügungspark zu fahren – in Anbetracht der Tatsache, dass da draußen Menschen sind, die ihre Familien, ihr Hab und Gut, ihr Leben einfach so zurücklassen um zu leben? Bei Nacht und Nebel ihr Haus verlassen, noch schnell zusammenpacken, was sie in den Händen tragen können. Ihren Eltern ein „Lebe-wohl“ zu hauchen, ganz ungewiss, ob man sich jemals wiedersehen wird und ungewiss der Tatsache, ob die Zurückgelassenen den morgigen Tag überleben werden. Das Handy oft das Einzige, was ihnen bleibt – ihr Kontakt zu ihrem zu Hause. Oft tagelang, wochenlang, monatelang unterwegs. Zu Fuß oder mit dubiosen Gestalten, die sich an dem Leid der anderen bereichern mögen. Immer zu in Angst davor gefangen oder getötet zu werden. Ohne Pass, in den Händen von Fremden. In schlechter gesundheitlicher Konstitution, nicht nur erschöpft vom Leben, sondern auch von den hygienischen Bedingungen und vor allem dem Hunger und dem psychischen Druck. Gehalten wie Sklaven. Ein Schiff zu betreten, dass einem neue Tore öffnen oder die Pforte zum Jenseits sein könnte. Angst bestimmen die Gedanken; ob man es schafft, ob seine Liebsten es schaffen. Endlich angekommen erwartet sie dann nicht nur der Antrag auf Asyl, sondern schlimmstenfalls noch einige mürrische Blicke oder verirrte Seelen, die als Willkommensgruß eine schwere Brandstiftung begehen. Hass, statt Menschlichkeit und freundlicher Gesichter.
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Für mich hätte es zwar auch einige Überwindung gekostet, mit einer Spinne zu posieren, da ich wirklich eine ungeheuerliche Angst vor diesen Tieren habe; nur hätte ich danach – in Angesicht der aktuellen Flüchtlingslage in Europa – nicht guten Gewissens sagen können, dass ich mutig war.
Auch mit meiner Schwester, die durch ihren Beruf aus erster Hand von den Schicksalen der Menschen, die zu uns kommen, erfährt, habe ich über das Thema Mut gesprochen. Bei dem, was sie mir erzählt, ist mir noch einmal ganz besonders deutlich vor Augen geführt worden, dass das, was wir da täglich in den Nachrichten serviert bekommen, nicht einmal ansatzweise das Leid widerspiegelt, was leider wirklich besteht. Es ist wirklich wahnsinnig grausam, wie weit entfernt unsere tägliche Realität im friedlichen Europa von der in Krisengebieten liegt. Wie unwichtig all unsere kleinen Weh-wehchen sind, wie wenig Mut uns das Leben hier doch abverlangt.
Deswegen möchte ich Courage zeigen. Die Menschen, die zu uns kommen mit einem beherzten Lächeln begrüßen und dazu aufrufen, es mir gleich zu tun.
Zwar muss ich sagen, dass dem T-Shirt, welches mir von Quantum Courage für meine mutige Aktion zur Verfügung gestellt wurde, eigentlich schon ein fester Platz in meinem Kleiderschrank sicher wäre, aber die Aufschrift „Courage“, welches im deutschen Mut bedeutet, doch eher von einem unserer neuen Mitbürger getragen werden sollte. Deswegen habe ich das Wochenende genutzt, um zu schauen, welche Kleidungsstücke ich aus meinem Kleiderschrank holen kann, damit sie statt bei mir noch im Winterschlaf zu verweilen an anderer Stelle eine große Hilfe sein können.
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Fragt auch in eurer Stadt nach, wie ihr helfen könnt.
Auch Dinge, die für uns klein und unbedeutend sind, wie zum Beispiel das alte Fahrrad, das verstaubte Spielzeug vom Dachboden oder die Winterjacke aus dem letzten Sale, die dann doch nicht so ganz das Wahre war, können eine große Hilfe und ein herzliches Willkommen sein.
Und dass wir den Menschen mit einem Lächeln begegnen, sollte doch für uns alle eine Selbstverständlichkeit darstellen.
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  1. 16. August 2015 / 10:41

    Ein großartiger Beitrag. Ich werde demnächst auch wieder aussortieren und hoffe, dass sich das eine oder andere Teil als Spende eignet.

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